
Immobilienkauf
Eine Kolumne mit Marc Reisner – zu Tisch mit Carsten Wagenknecht
Heute war ich mit Carsten beim Lunch. Carsten ist Anfang 30, wir kennen uns vom Sport. Ich habe ihn beim Chinesen getroffen.
„Ich gehe unter die Immobilienbesitzer“, hat er mir stolz erzählt, kaum dass wir saßen.
Naja, er hat einen ganz guten Job, soweit ich das beurteilen kann, ist verheiratet, seine Frau verdient auch ordentlich, der Sohn, Maximilian, ist sieben Jahre alt und aus dem Allergröbsten raus. Aber eine Immobilie kaufen?
Ob das nicht teuer wäre, habe ich Carsten gefragt. Zu teuer. Schließlich liest man doch immer, dass Häuser und Wohnungen teuer wie nie sind. Tja, meinte er und bestellte ganz nebenbei die 58 und ein alkoholfreies Pils, das Preisniveau sei schon nicht ohne, aber – er nahm sein Glas, prostete mir zu und nahm einen Schluck – Kredite seien günstig wie nie zuvor. „Wenn du zum Beispiel eine Wohnung finanzieren willst, bekommst du doch heute schon 100.000 Euro bei zwölf Jahren Laufzeit für deutlich weniger als ein Prozent Zinsen“, er lehnte sich zufrieden zurück, „das macht über die Laufzeit Tausende aus.“ Ich solle nur mal einen Konditionenrechner im Internet aufrufen.
Was er überhaupt kaufen wolle, fragte ich ihn.

Da, meinte Carsten, seien sie sich noch nicht einig. Seine Frau hätte am liebsten ein kleineres Haus mit Garten, ein bisschen außerhalb. Er könne sich eher eine Wohnung vorstellen, zentrale Lage, gute Ausstattung. Ja, sagte ich, hat beides seine Vor- und Nachteile. „Nachteile? Bei Immobilien?!“ Carsten lachte, etwas zu sehr von oben herab, wie ich fand. Die Wahrscheinlichkeit, dass Wohnungen und Häuser an Wert verlören sei sehr gering. Das sei ein Investment in die Zukunft. Ein Haus könne man bei Bedarf gut wieder verkaufen. Und eine Wohnung ließe sich auch vermieten. Angesichts der niedrigen Zinsen und mit Hilfe von Programmen zur Wohneigentumsförderung komme man um einen Immobilienkauf eigentlich gar nicht herum.
Das Essen kam, appetitlich duftend und dampfend. Wir griffen zu den Essstäbchen und rissen die Papierhüllen auf. Lecker!
„Also auch eine gute Altersvorsorge“, nahm ich den Faden wieder auf.
„Na klar“, erwiderte Carsten, „und wenn wir nicht darauf angewiesen sind, übertragen wir sie später an Max oder er erbt sie irgendwann.“ Ich griff mir die Zeitung, die ich mitgebracht hatte, um sie später in Ruhe zu lesen, und blätterte darin: Da war die Meldung, die ich gesucht hatte. Es gab eine neu Studie zu den Motiven von Wohnungskäufern. Jeder zweite Kaufinteressent hatte als wesentlichen Beweggrund die finanzielle Absicherung genannt. Einerseits schafften Eigentümer so einen soliden und inflationssicheren Wert und sparten – beim selbstgenutzten Wohneigentum – die Miete, führten die Autoren aus. Zum anderen seien Wohnimmobilien, die nicht selbst genutzt sondern vermietet würden, ausgezeichnete Kapitalanlagen. Denn tendenziell stiegen die Mieten weiter und die Erträge flössen regelmäßig und verlässlich. Ich schob Carsten die Zeitung hinüber und deutete auf den Bericht. Er überflog ihn und nickte schließlich.
Das klinge alles prima, meinte ich, wobei er erst einmal ein passendes Objekt finden müsse.
Was denn für ihn das Wichtigste sei?
Er stelle sich ein Apartment oder vielleicht sogar ein Penthaus in der Innenstadt vor, zwischen 90 und 110 Quadratmeter groß. Ansonsten zähle – „alte Immobilienregel“ – nur eines: Lage, Lage, Lage! Etwas naiv wies ich ihn darauf hin, dass man dafür ja nur einen Stadtplan oder Google Maps brauche, dann sehe man ja, wo das entsprechende Haus sich befinde. Carsten starrte mich an, als hätte ich etwas besonders Dummes gesagt. Ich glaube, es war nicht nur das Chili in meinem Essen, das mir den Schweiß auf die Stirn treten ließ. „Du kannst doch die Lage einer Immobilie nicht nach der Karte beurteilen.“ Carsten schüttelte den Kopf. Er wolle mehrere Kanäle nutzen, sagte er: einerseits ein paar Immobilienportale, vor allem jedoch einen örtlichen Makler. Der koste zwar etwas Geld, spare aber enorm viel Zeit und Aufwand. Denn nach einem ersten Gespräch könne der ihm eine passende Auswahl an verfügbaren Objekten zusammenstellen.
Na klar, denn der Fachmann aus der Region kenne den Markt, wisse um dessen Besonderheiten, könne auf Vergleichsobjekte verweisen und zudem beim Besichtigungstermin Fragen beantworten und auf Potenziale oder Schwachstellen hinweisen, ergänzte ich. Stimmt, so Carsten:
„Ein guter Makler wird immer so handeln, dass er mich nachhaltig zufrieden stellt.“
Ob er, Carsten, schon Erfahrungen mit Portalen gemacht habe, wollte ich wissen. Ja, da seien manchmal attraktive Angebote zu finden, obwohl für ihn das Passende noch nicht dabei gewesen sei. Viele private Verkäufer würden ihr „Schätzchen“ zu hoch taxieren, und damit werde die Immobilie womöglich zum Ladenhüter – oder eher zufällig losgeschlagen. Aber, er lächelte und winkte dem Kellner, um noch einen Jasmintee zu bestellen, sein Makler habe eine eigene Plattform, auf der er Wohnungen und Häuser präsentiere. „Und weil ich mich registriert habe, bekomme ich neue Objekte bis zu fünf Tage vor den anderen Interessenten gezeigt.“ Nicht schlecht, gab ich zu.
Aber irgendeinen Haken gäbe es doch bestimmt. Carsten machte ein nachdenkliches Gesicht. Das Einzige, was er sich noch genauer anschauen müsse, seien die laufenden Kosten einer Immobilie. Die müsse man im Blick behalten. „Versicherungen, Steuern und ein paar Rücklagen für Instandhaltung und Reparaturen.“ Da wolle er sich vom Makler beraten lassen. Allerdings seien diese Details für ihn eher Kür als Pflicht. „Bei Wohnungen in Mehrfamilienhäusern gibt es das sogenannte Hausgeld. Das wird einmal ausgerechnet, dann überweise ich das monatlich und entsprechende Ausgaben werden davon bezahlt“, sagte er.
„Na, dann erhöhst du wohl bald die Wohneigentumsquote in Deutschland“, schmunzelte ich. Vor kurzem hatte ich gelesen, dass die bei uns bei nicht einmal 52 Prozent liege – und damit im europäischen Vergleich ganz weit unten. „Noch ist es ja nicht so weit“, entgegnete Carsten. Er hob einen Finger Richtung Tresen und malte ein paar Zahlen in die Luft. „Lass mal“, sagte er, als ich mein Portemonnaie aus der Tasche ziehen wollte, „heute bezahle ich.“ – „Obwohl du eine Wohnung kaufen willst?“ – „Alles nur eine Frage der cleveren Finanzierung.“ Das solle er mir doch in Ruhe erklären, bat ich ihn. Aber Carsten blickte auf seine Uhr und stand auf. „Ich hab‘ noch einen Termin mit meinem Makler“, sagte er, „übers Geld können wir ja beim nächsten Mal sprechen.“ Damit gab er mir die Hand und ging.