Ein Magazin rund um Immobilien, Finanzierung und Lifestyle

Die eigene Immobilie mieten

Eine Kolumne mit Marc Reisner – zu Tisch mit Marlies Fürst

Heute war ich mit Marlies Fürst beim Lunch. Sie ist 63, wir sind Nachbarn. Ich habe sie beim Italiener getroffen.

„Das ist ja schön, dass das endlich mal geklappt hat.“ Marlies strahlte mich an. „Naja, Du arbeitest zu viel“, sagte ich. Das könne schon sein, meinte sie und nahm einen Schluck von ihrem Wasser. Aber nach insgesamt sechs Jahren Auszeit wegen der Kinder müsse sie sich ranhalten – besonders üppig würde ihre Rente nicht ausfallen. Und ihr Mann? „Der hat doch nie sehr viel verdient“, zuckt sie die Schultern. Jedenfalls hieße es nun für sie beide: Noch ein paar Jahre schuften. Und selbst dann seien im Alter keine großen Sprünge drin.

„Herrje“, sagte ich, „aber ihr habt doch wenigstens das Häuschen. Ist das nicht abbezahlt?“

Doch, die Schulden seien zum Großteil weg, die Belastung relativ niedrig. Klar: Wenn sie es verkaufen würden, hätten sie auch ein Polster. Aber eigentlich wollten sie darin wohnen bleiben. „Immer haben wir uns darauf gefreut, irgendwann nebeneinander auf der Gartenbank zu sitzen, mit Freunden zu feiern.“ Es sei ja auch nicht zu groß, die Nachbarn alle so nett und Marlies‘ Mutter wohnt nur eine Straße weiter. Wo sollten sie etwas Passendes finden?

Die eigene Immobilie mieten

Mal eine Reise wäre schön.

Jahrelang gearbeitet und dennoch wird die Rente eher klein ausfallen. 

Die eigene Immobilie mieten

Die gewohnte Umgebung und das vertraute Zuhause.

Hier wuchsen ihre Kinder auf. Sie spielten im Garten. Inzwischen ist von da das Gelächter der Enkelkinder zu hören, wenn sie zu Besuch sind.

Was ist meine Immobilie wert?

Verwurzelt in dieser Gegend. 

Hier werden langjährige Freundschaften in der Nachbarschaft gelebt.

Paolo kam an den Tisch und erkundigte sich nach unseren Wünschen. Er spricht hervorragend Deutsch, rollt nur ab und zu das R etwas kräftiger und streut hier und da ein „si“, „Bella“ oder „grazie“ ein. Eigentlich heißt Paolo Malek und kommt aus Syrien. Aber danach fragt hier niemand.

Marlies nahm den Faden wieder auf.

Mal eine Reise wäre schön gewesen, meinte sie, auch der Kauf eines neuen Auto stünde wohl in ein paar Jahren an.

Sie zuckte etwas hilflos mit den Schultern. Wir schwiegen, bis Paolo uns die bestellten kleinen Salate brachte. „Hör mal“, begann ich dann, „ich war vor ein paar Tagen bei einem Immobilienmakler. Wollte mich nach einer Wohnung umschauen, nachdem ich mich mit Carsten getroffen hatte. Du kennst Carsten?“ Sie schüttelte den Kopf. „Jedenfalls“, fuhr ich fort, „lag dort eine Broschüre aus, die ich mitgenommen habe. Der Titel war ‚Werden Sie Mieter Ihrer eigenen Immobilie‘. Warte mal.“ Ich griff nach meiner Aktentasche und kramte darin herum. Zwischen Tageszeitung und Kalender klemmte das schmale Heftchen. „Siehst Du!“ Ich legte es zwischen uns auf den Tisch.

Falls ich das richtig verstanden hätte, erklärte ich, gehe es dabei darum, das eigene Haus an einen Investor zu verkaufen und dann direkt wieder zu mieten. Die Begriffe „rechtssicher“ und „unbelastet“ fielen mir ins Auge. „Investoren? Das sind doch Halsabschneider.“ Marlies zeigte sich – vorsichtig ausgedrückt – skeptisch. Ob da nicht schon einige Kommunen mit auf die Nase gefallen seien. Ich erinnerte mich: „Das ist doch viele Jahre her. Inzwischen gibt es ganz andere Rahmenbedingungen.“ Paolo kam an den Tisch und nahm die leeren Salatteller mit. „Bene?“, fragte er im Weggehen, und es war nicht ganz klar, ob er den Salat meinte oder ob es mit dem Hauptgang weitergehen könne. Wir nickten vorsichtshalber synchron.

„Die Vorteile liegen auf der Hand“, sagte ich und klopfte mit dem Zeigefinger mehrfach auf das Informationsblatt.

„Wer sein Haus verkauft und dann zurückmietet, kommt relativ unkompliziert an Kapital, das dann nicht mehr im Haus steckt. Er muss nicht umziehen, spart sich also jede Menge Zeit und Ärger. Und er bleibt in seiner gewohnten Umgebung.“

Jetzt hatte ich Marlies‘ Interesse vollständig geweckt. Wie es dann mit Steuern oder Instandhaltung aussehe? „Darum muss sich der neue Eigentümer kümmern.“ Das erspare viel Stress.

Jetzt kam Paolo mit zwei großen Tellern, Tagliatelle Bella Italia für Marlies, eine Pizza Frutti di Mare für mich. Was für ein Duft! Bei Marlies setzten sich wieder die Zweifel durch. „Und dann kommt der Investor irgendwann und schmeißt uns raus.“ Ich nahm die Broschüre wieder zu Hand und überflog ein paar Zeilen, bis ich die Stelle gefunden hatte, nach der ich suchte. „Da steht’s: ‚Natürlich kann Ihnen der Mietvertrag nicht gekündigt werden‘.“ – „Hmm, gibt es so einen Vertrag überhaupt?“ Marlies schaute skeptisch. Ich kramte in den Tiefen meines Gedächtnisses. „Soweit ich weiß, kann man das Wohnrecht ins Grundbuch eintragen lassen. Wie sind deine Nudeln?“ Sie schien mich nicht zu hören, in ihr arbeitete es. Ob das bedeute, dass sie auch nicht ausziehen dürften, falls es doch einmal ein attraktives Angebot gebe? Doch, erläuterte ich, im Mietvertrag werde eine Kündigungsfrist festgehalten. Und die gelte dann.

Die Pizza war hervorragend, aber so groß, dass ich den trockenen Rand abschnitt. Marlies legte jetzt ihr Besteck auf den Tellerrand und blickte mich an.

Was denn der Käufer dann davon habe?

Ich zeigte auf meine Pizza: „Die ganze Pizza, das ist euer Haus. Dafür bezahle ich einen bestimmten Preis. Wenn ich aber mit Paolo und seinem Koch vereinbaren würde, dass er die Pizza mit dem belegt, was er gerade da hat, und sie auch erst bringt, wenn der Ofen sowieso heiß ist, dann zahle ich weniger.“ Ich schob die Randstücke zur Seite. „Denn dann gehe ich gewissermaßen ins Risiko.“ Das leuchtete ihr ein. Sie bekomme also etwas weniger als für eine geräumte Immobilie, weil der Käufer nicht genau wisse, wann er das Gebäude nutzen könne, fragte sie nach. Ich nickte. Außerdem würde der Käufer ja weitere Gefahren mitkaufen: Wenn die Heizung oder das Dach kaputt gingen, müsse er dafür gerade stehen.

Das klinge nicht schlecht, meinte Marlies, und: „Dann müssten wir uns nicht einmal um die Anschlussfinanzierung für die Restschulden kümmern.“ Sie lächelte etwas schief. „Grappa? Sambuca?“, fragte Paolo dazwischen. „Due espressi, per favore“, bestellte Marlies in fließendem Italienisch. Ich wusste, dass sie drei Jahre in Mailand gelebt hatte und grinste in mich hinein.

„So ganz überzeugt bin ich noch nicht“, so Marlies. Das verstünde ich – schließlich sei der Verkauf der eigenen Immobilie für die meisten Menschen eine große Sache. Aber, ich deutete noch einmal auf die Broschüre, dort stehe es: „Für Sie ändert sich nichts.“ Außer, dass dann auch mal eine Reise möglich sei. Und für das passende Auto würde es auch bequem reichen. „Finanzielle Entspannung, das wäre schon schön“, murmelte Marlies verträumt und nippte an ihrem Kaffee. Dann richtete sie sich etwas auf und fragte: „Wie kann ich das angehen?“ Ich war überrascht von ihrer Entschlossenheit. Ich glaubte, sagte ich, der Gang zu einem Immobilienexperten sei sinnvoll. Schließlich müssten Marlies und ihr Mann erst einmal in Erfahrung bringen, was ihr Haus nun tatsächlich wert sei. Und wahrscheinlich wäre es hilfreich, wenn ihnen beim Umsetzen dieses Konzeptes ein Experte zur Seite stünde.

Marlies lächelte: So werde sie es machen. Sie legte einen Schein auf den Tisch und machte Paolo ein Zeichen, dass sie zahlen wolle. „Ich lade dich ein“, sagte sie, als ich in meiner Tasche nach etwas Geld angelte. „Dein Tipp ist es mir allemal wert. Und wer weiß – vielleicht genieße ich ja bald unerhoffte Freiräume.“ Wir winkten Paolo zu, als wir das Lokal verließen. Und als wir in verschiedene Richtungen davongingen, blieb ich noch einmal stehen, drehte mich um und sah ihr nach. Ihr Gang wirkte beschwingt.

Autor des Beitrags: Marc Reisner

Er ist freier Wirtschaftsjournalist aus Mainz mit den Schwerpunkten Finanzen, Wirtschaft, Immobilien und Tourismus

Bestimmt möchten Sie lesenswerte Infos mit Freunden, Bekannten und Followern teilen. Kopieren Sie einfach den Link und nutzen Sie ihn zum Beispiel auf Twitter, Facebook, Instagram – oder ganz klassisch per Mail.